Uffz. Hans Maaß, 1./K.G. 55
Bericht über die am 1.7.1944 abgeschossene G1+KH bei Beresino

Am 1.7.1944 starteten wir zu einem Versorgungsflug. Es handelte sich um die Versorgung einer Flakeinheit in Beresino, die den Übergang über die Beresina zu decken hatte, mit Munition. Der Anflug vollzog sich in der Dämmerung bei guten Sichtverhältnissen und verlief ohne Zwischenfall. Wir kamen in 2000 m Höhe an und gingen kurz vor dem Ziel zum Gleitflug über, sodaß wir beim Abwurf der Behälter über dem Ziel eine Höhe von 200 mtr. Eingenommen hatten. Grosse Brände im Ort zeugten von harten Kämpfen, die sich hier abgespielt hatten. Kurz vor Überflug des Zieles setzte eine heftige Abwehr von Flak und Infanteriewaffen ein. Wir durchstießen die Abwehr, warfen die Behälter ab und gingen in einer Linkskurve zum befohlenen Tiefflug auf Abflugkurs.

Bis hierher vollzog sich alles normal, als ich plötzlich eine starken Dampfstreifen der vom linken Motor entströmte, bemerkte. Ich konnte einwandfrei feststellen, daß dieser Dampfstreifen aus dem Kühler des linken Motors kam und meldete dies sofort meinem Flugzeugführer Fw. Orb. Der Bordmechaniker, Ofw. Röhe, befand sich noch in derWanne und begab sich daraufhin sofort nach vorne um dem Flugzeugführer beim Abstellen des Motors behilflich zu sein. Ich hörte noch durch die EiV wie der Flugzeugführer sagte, die Luftschraubenverstellung geht nicht. Wir befanden uns noch im Tiefstflug und verloren ständig Höhe. Plötzlich hörte ich den Flugzeugführer rufen Raus aus der Wanne. Mehr instinktiv als überlegungsmäßig warf ich mich unter den Funkersitz als auch schon das Flugzeug in einen Hochwald hineinfiel und zerschellte. Ich verspürte hierbei einen heftigen Schlag gegen des linke Schulterblatt und es währte einige Zeit, ehe ich mich aus meiner Lage befreien konnte und ins Freie gelangte. Es bot sich mir ein grauenhaftes Bild. Das Flugzeug auf das wir alle einzeln stolz waren, war völlig zertrümmert. Von der Kanzel war überhaupt nichts mehr zu sehen. Der linke Motor lag 10 bis 20 mtr. von der Aufschlagstelle entfernt und qualmte stark. Die Zelle war etliche Mal durchbrochen. Die Tragflächen waren kaum noch als solche zu erkennen. Meine grosste Sorge waren die Kameraden. Als ersten entdeckte ich den Beobachter, Fw. Hillen, der angelehnt an einen geknickten Baum aufrecht saß. Er blutete ziemlich stark an einer Kopfwunde. Ich wollte nun Verbandszeug holen, als ich zum rechten Motor kam, sah ich den Flugzeugführer abgelehnt an Motor. Der Kopf war bis zur Brusthälfte in den Trümmern eingeklemmt. Ihn aus dieser Lage zu befreien war unmöglich. Meiner Meinung nach musste er sofort tot gewesen war. Ich stieg nun auf die Tragfläche und bemerkte, als ich den Sanipack aus der Maschine holen wollte, den Funker, Uffz. Reinköster. Er saß auf seinem Funkersitz den Kopf vorgebeugt auf dem MG ligend. Ich rüttelte ihn und rief laut seinen Namen. Daraufhin erhob er den Kopf wobei ich einen starken Riss der sich über das linke Auge zum Backenknochen hinzog bemerkte. Das Auge dürfte ausgelaufen gewesen sein. Er bemühte sich aufzurichten, doch gelang es ihm dies nicht, da er, wie ich feststellte, im Gurtzeug hing. Ich löste das Gurtzeug, worauf er alleine nach hinten ausstieg. Als ich nach dem Sani-Pack griff, erkannte ich den Bordmechaniker, der zwischen den Bombenschächten lag. Ich rief ihn beim Namen, doch reagierte er nicht darauf. Ich begab mich, da der Zugang vom B-Stand durch einen Baumstamm der quer darüberlag versperrt var, von vorne in die Bombenschächte. Ich zog ihn an den Beinen worauf er sich regte und sodann ausstieg. Er legte sich sofort hin und redete anfangs ziemlich wirr. Nun konnte ich mit der ersten Hilfeleistung beginnen. Bei Fw. Hillen stellte ich außer der Kopfwunde einen Bruch der rechten Unterarmes sowie den rechten Schienenbeines fest. Der Stiefel war bereits voll Blut und beim Aufschneiden hatte Fw. Hillen starke Schmerzen. Das ich selbst Beschwerden mit meinem linken Arm hatte und ihn nur schlecht bewegen konnte, bat ich Ofw. Röhe mir beim Verbinden behilflich zu sein. Er kroch zu mir heran. Wir verbanden und schienten gemeinsam die Brüche und Wunden des Fw. Hillen. Hierauf leisteten wir dem Funker erste Hilfe. Außer der Kopfwunde hatte er den rechten Unterarm gebrochen und klagte über Atemnot. Ofw. Röhe hatte außerlichen Verletzungen außer einer kleinen Kopfwunde, jedoch klagte er über starke Kreuzschmerzen. Nun hatte ich alles getan was in meinen Kräften lag, um den Kameraden erste Hilfe zu leisten. Wir hörten von Ferne Motorengeräusch. Hierauf  baten mich Fw. Hillen und Fw. Röhe Hilfe heranzuholen. In Richtung des Geräusches begab ich mich auf den Weg.

Nach ungefähr einer halben Stunde gelangte ich an eine Straße. Eine Unmenge verlassener eigener Fahrzeuge befand sich auf diesem Weg. In der Dunkelheit wirkte diese Augenblick gespensterhaft. Ich ging diese Straße einige Minuten entlang und hörte nun Stimmen. Vor mir sah ich eine Gestalt. Ich konnte jedoch nicht feststellen, ob es sich um einen Deutschen bzw. einen Russen handelte. Ich entsicherte die Pistole und ging vorsichtig weiter. Langsam näherte ich mich der Gestalt und erkannte in ihr einen deutschen Soldaten. Jetzt erst atmete ich freier. Rasch ging ich an ihn heran, als er meine Pistole bemerkte sagte er: Werf das Ding weg, wir gehen alle in Gefangenschaft. Ich erkundete mich nach einem Offizier worauf er mich weiter nach vorne verwies. Dort traf ich einen Oberleutnant einer Sturmkompanie und bat ihn um Hilfe. Er lehnte dies jedoch ab. Er sagte, die Zeit eile und er könne keine Minute verliere, da sie von Kosaken verfolgt wurden, und selbst keine eigenen Schwerverwundeten mitführen. Da ich keine Hilfe erwartet konnte, wollte ich mich zu meinen Kameraden zurückbegeben. Ich gelangte in die Nähe des Waldrandes als ich plötzlich beschossen wurde. Da ich ganz allein auf mich gestellt war, in meiner Bewegungsfreiheit durch starke Schmerzen in meinem linken Oberarm behindert war, sah ich keine Möglichkeit mehr, meinen Kameraden Hilfe zu bringen. Ich verließ die Straße und kehrte über Sumpfgelände zur Infanterieeinheit zurück. Mit dieser fuhr ich noch in der gleichen Nacht nach Minsk, wo ich am 2.7. gegen Abend eintraf. Mein Versuch mit meiner Einheit Verbindung aufzunehmen, war vergeblich, da bereits sämtliche Leitungen unterbrochen waren. Am gleichen Abend fuhr ich mit einer anderen Einheit Richtung Molodetschno und gelangte schließlich auf verschiedenen Umwegen am 5.7.1944 nach Wilna. Ich flog am selben Tage mit einer Sanitäts-Ju nach Warschau und traf am 6.7.1944 bei meiner Eiheit ein. Hier wurde festgestellt, daß das Schliesselbein des linken Armes an 2 Stelen gebrochen ist.

gez. Maaß

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