Bericht über den Versorgungsflug am 1.7.1944
der Besatzung Ofw. Heeren, Fw. Heyde, Uffz. Wobrig, Uffz. Kugelmann und Ogefr. Schmitz

Am 1.7.1944 hatten wir den Auftrag, in der Dämmerung einen Versorgungsflug durchzuführen um eine Flakabteilung, die bei Beresina die Brücke halten sollte, mit Munition zu versorgen. Der Start erfolgte um 1930 Uhr in Biala Podlaska und wir flogen als Kettenführer der 2. Kette in dem von Herrn Major Brunner geführten Verband in 1500 m mit der He 111 G1+MH.
Nachdem wir den Ablaufpunkt Tscherwen erreicht hatten, wurde etwas nach Süden ausgeholt, und Reihe rechts befohlen. Als das Ziel querab lag, wurde darauf eingekurvt in starkem Gleitflug angeflogen. Kurz bevor wir das Ziel erreichten, sahen wir die vor uns fliegenden Flugzeuge ihre Versorgungsbehälter abwerfen. Von 2 oder 3 Behältern öffnete sich der Fallschirm nicht und die Behälter explodierten am Boden. Inzwischen hatten auch wir in 200 m Höhe den Zielraum erreicht und lösten unsere Bomben aus. Dabei kam die vorher hochgehende Munition in sehr bedenkliche Nähe unseres Flugzeuges. Während die ersten Maschinen ziemlich unbehelligt davonkamen, erhielten wir bei An- und Abflug sehr heftiges Abwehrfeuer durch leichte Flak und MG von allen Seiten. Nach Abwurf unserer Behälter im 2120 Uhr sind wir nach unten wegdrückend in einer steilen Linkskurve abgeflogen. Im Tiefstflug flogen wir nördlich der Rollbahn. Da bekamen wir kurz vor Tscherwen wieder Flakfeuer. Ob wir dort, oder schon am Ziel Treffer bekommen haben, konnte nicht festgestellt werden. Jedenfalls bemerkte Uffz. Kugelmann, daß vom linken Motor der Öldruck gänzlich abgefallen war, während Uffz. Wobrig gleichzeitig meldete, daß der linke Motor stark ölt. Da der Motor noch einwandfrei lief, und die Öl- und Kühlstofftemperaturen normal waren, habe ich den Motor laufen lassen, habe versucht Höhe zu gewinnen und bin zunächst etwas nach Norden abgeflogen.
In 250 m Höhe schlug aus dem linken Motor plötzlich eine starke Stichflamme, gleichzeitig fing der Motor an zu schütteln. Der Motor wurde sofort abgestellt und die Luftschraube auf Segelstellung gebracht. Nach kurzer Zeit verlöschte der Brand innerhalb der Motorhaube. Einige Minuten hielt sich das Flugzeug im Einmotorenflug, dann fiel die Kurssteuerung und Seitentrimmung aus. Nur mit äußerster Anstrengung konnte das Flugzeug geradeaus gehalten werden, wurde aber zusehendst langsamer, sodaß Höhe aufgegeben werden mußte.
Nach kurzer Zeit schon waren wir wieder im Tiefstflug und vor uns ansteigendes Waldgelände. Mit 1,4 ata Ladedruck und 170 km/h am Stau schleppten wir uns noch über einen Hochwald, wobei die Propellerspitzen und das Schwanzende einige Bäume streifte. Dann war es aus. Mit beiden Füßen im rechten Seitenruder stehend und das Querruder ganz ausgeschlagen fing Trotzdem das Flugzeug an nach links zu schieben und der Motor an zu qualmen. Um nicht abzuschmieren und die Fahrt zu gering war, habe ich aus dem rechten Motor das Gas herausgerissen, den Knüppel am Bauch genommen und das Flugzeug in den Wald rauschen lassen. Es gab ein grosses Krachen und Bersten, das Wasser spritze durch die Kanzel sodass wir dachten, das ist das Ende.
Zum Glück waren wir in einen Sumpfwald gefallen und obwohl das Flugzeug stark beschädigt wurde, sind Personenschäden nicht entstanden. Wir schnell aus der Maschine heraus und standen bis zu den Knien, zum Teil bis zum Bauch im Sumpf. Da wir mit Banditen rechnen mussten, haben wir ein Seiten-MG ausgebaut. Nachdem alles ruhig blieb, und wir uns davon überzeugt hatten, daß eine Bergung des Flugzeuges sowie der Geräte unmöglich war, haber wir uns entschlossen, das Flugzeug zu sprengen.
Während wir uns mit 4 Mann von Flugzeug entfernten, brachte Uffz. Kugelmann die Sprengladung an und kam uns nach. Mehrmals bis zu den Hüften in den Sumpf einsinkend oder hinfallend, erreichten wir nach etwa 100 m freies Feld. Von dort sind wir, Getreidefelder und Waldränder als Deckung nehmend in südlicher Richtung abmarschiert.
Wir dachten schon die Sprengladung würde nicht ansprechen, als nach etwa 10 Minuten eine starke Detonation erfolgte und das Flugzeug in hellen Flammen stand. Noch eine halbe Stunde nachdem, während wir weiter marschierten, hörten und sahen wir die Munition in die Luft gehen. 2 Stunden später sahen wir das Dorf Grabenko vor uns liegen welches wir wegen etwaiger Bandengefahr links umgingen und kamen wir nach einer halben Stunde an die Rollbahn.
Im Strassengraben entdeckten wir ein deutsches Nachrichtenkabel. Wir sagten uns, wo ein deutsches Kabel liegt, werden die Landser auch nicht weit sein. 100 m von uns entfernt stand auf der Straße ein LKW. Wir waren uns noch im Zweifel, ob es ein deutscher oder russischer war, da hörten wir ein Krad und Stimmen näher kommen. Mit schussbereiten Waffen im Graben liegend liessen wir das Krad herankommen und merkten, als es neben uns war, daß darauf deutsche Soldaten waren. Auf unser Rufen wurde nicht gehalten und Fw. Heyde schoß ihnen eine rote Leuchtkugel nach. Der Fahrer stoppte bei dem LKW und weckte die darauf schlafenden Lander, in der Annahme, wir wären Partisanen. Durch lautes Rufen haben wir uns zu erkennen gegeben. Mit dem LKW hätten wir bis Minsk fahren können, mussten aber wegen Motorschaden auf eine Zugmaschine warten. Durch die rote Leuchtkugel wurden russische Flieger angelockt und wir sahen über und in 5-800 m Höhe kleine russische Flugzeuge, die sogenannten Nähmaschinen fliegen. Wir von der Straße herunter und im Kornfeld Deckung genommen. Da hörten wir die Bomben schon sausen, ähnlich wenn sich ein Flugzeug mit gedrosselten Motor im Gleitflug befindet. Das Gesicht auf die Erde gepresst dachten wir, jetzt ist es aus. In unmittelbarer Nähe fielen 4 Bomben, wir verspürten aber nur den Luftdruck und bekammen einige Erdklumpen ab. Es folgten noch mehrere Anflüge. Es wurde mit Bordwaffen geschossen. Längs der ganzen Rollbahn konnten wir Leuchtbomben beobachten und wie mit Bordwaffen die Straße abgestreut wurde.
Über uns hörten wir den russischen Bomberstrom mit westlichen Kurs und sahen in derselben Richtung einen großen roten Feuerschein, das nur Minsk sein konnte, und vom Iwan angegriffen wurde.
Als es bei uns ruhiger wurde gingen wir zur Straße zurück, und erwischten dort einen Nachrichtenwagen mit dem wir, auf den Kotflügeln hockend, bis Minsk gefahren sind wo wir um 0400 Uhr eintrafen. Bei der dortigen Ortskommandantur konnten wir keine Verbindung mit unserer Einheit bekommen und sind zum Flugplatz Süd gegangen in der Hoffnung, mit einer Maschine weiter zu kommen. Wir hatten Glück da gerade eine Maschine der III./K.G. 55 nach Podlotoff starten wollte. Der Flugzeugführer, Oblt. Bischof, hat uns auf unsere Bitte hin mitgenommen und von Podlotoff wurden wir mit einem Wagen unserer Staffel abgeholt. Um 1100 Uhr trafen wir wohlbehalten in Ulez ein.

gez. Heeren, Heyde, Wobrig, Kugelmann, Schmitz



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